Gedankenlesen - ein Vorteil?

Fragen zur ISkO

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Gedankenlesen - ein Vorteil?

Beitragvon John » 24. Aug 2017 12:21

Ein interessanter Fall, der wohl schon einmal vom ISKG entschieden wurde; wobei halt die Nuancen eine Rolle spielen.

Man wird als einziger Regelkundiger an den Nachbartisch gerufen, auf dem schon eine rege Diskussion im Gange ist. Erfreulich zunächst mal, dass entgegen der sonstigen Vorgehensweise bei Regeldifferenzen das Kind noch nicht in den Brunnen gefallen ist, eine Entscheidung also rechtzeitig beantragt wurde.

Vorausschicken möchte ich, dass ich die Einstellungen zu Denkweisen hinsichtlich des Regelwerks, ja sogar das Ausmaß der vorhandenen Regelkenntnisse bei allen 3 Spielern seit Jahrzehnten genau kenne.

Ob man diesen Aspekt nun generell wegschieben kann und die Sache wie an einem unbekannten Tisch behandeln sollte (oder überhaupt kann), mag ein Thema sein. Folgender Sachverhalt wird unstrittig vorgetragen:

VH spielt einen NOH bei gereizten 20 von HH. Er legt sichere Karten auf, bis auf he08, die er ausspielt. MH faltet wortlos und ohne besondere weitere Gestik seine Karten zusammen, Hh sagt: "Du spielst weiter."
Nun beansprucht VH Spielgewinn.

Wie gesagt, ich kann die Motive für jede einzelne Handlung und Bemerkung genau erkennen, aber was ist dabei wirklich dann entscheidungsrelevant, welche Interpretation?

Noch eine Ergänzung: Ich sehe die Karten von VH und HH, der eine lange Herzflöte hat.
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Re: Gedankenlesen - ein Vorteil?

Beitragvon Schotte » 24. Aug 2017 13:23

Ich habe den genauen Wortlaut gerade nicht im Kopf, aber sinngemäß steht in der Skatordnung, dass man den Partner nicht an einem Fehler hindern darf. Ein typisches Beispiel ist der Satz: "Ich komm raus!" um ein falsches Ausspiel des Partners zu stoppen. Das würde ich hier sinngemäß anwenden und auf Sieg für den AS entscheiden.
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Re: Gedankenlesen - ein Vorteil?

Beitragvon John » 24. Aug 2017 14:41

4.1.8. und 4.3.3. geben über den regeltechnischen Hintergrund ziemlich eindeutig Aufschluss. Auch die Urteile sind im Grund eindeutig klar.

Das Problem an der Sache ist aber - sowohl bei falschem Ausspiel, das nicht verhindert werden darf, wie auch bei einer Spielaufgabe, die nach dem Prinzip der gemeinsamen Haftung grundsätzlich für den Partner verbindlich ist - erstmal eine Ausspielabsicht, bzw. eine Spielaufgabe bereits vorliegen muss.

Ein "Ich komm raus" ohne eine als Ausspielabsicht des Partners geäußerte Feststellung ist nun mal kein Hindern.

Und in meinem Falle geht es eben um die Frage, ob hier eine Spielaufgabe vorliegt oder vielleicht ein anderer Grund, die Karten zusammenzufalten. Und für HH gilt, dass es eben eine Verhinderung einer Spielaufgabe sein kann, aber auch eine erlaubte Forderung nach zügigem Weiterspiel.
Mir geht es eigentlich um das Grundsatzproblem. Gehe ich einfach nach dem Motto, so gut es geht, regeltechnisch zu entscheiden oder berücksichtige ich die mir wirklich glasklar bekannten Denkstrukturen der Mitspieler?

Oder anders ausgedrückt: Ist das Zusammenfalten der Karten bereits eine Spielaufgabe? Immer? Oder eben nur unter bestimmten, bzw. nicht genau bestimmbaren, Umständen?

Ich gebe also mal meine Einschätzung bekannt:

VH ist rechthaberisch veranlagt, kennt die Regeln recht gut, würde aber nie einen Schiri selbst machen, weil er ziemlich unbelehrbar ist. Es geht ihm angeblich ums Prinzip, in dem Falle hat er aber aufgrund der Reizung von HH die Verlustgefahr klar erkannt.
MH ist oft zerstreut, schaut nicht genau hin, will problemlos spielen und gibt lieber nach als zu diskutieren. Er betrachtet den NOH als sicher, ohne seine Karten genau zu inspizieren.
HH sieht auf jeden Fall die Möglichkeit, dass der NOH verloren werden kann, er hat 6 Herz und nur die 9 fehlt. Eine bereits erfolgte Spielaufgabe kann oder will er nicht erkennen, eine im nächsten Moment zu erwartende will er verhindern.

Nun also soll, muss man entscheiden!
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Re: Gedankenlesen - ein Vorteil?

Beitragvon Pgallert » 28. Aug 2017 19:28

Ich denke, generelles Verhalten kann hier nicht zur Entscheidungsgrundlage gemacht werden. Ders SchiRi kommt "frisch" an den Tisch und betrachtet nur die Karten und den Bericht der Parteien.

Die Aussage von HH kann gedeutet werden als 'Spiel eine Karte, anstatt eine Pause zu machen', und das ist zu einem gewissen Grad erlaubt. Also weiterspielen, und das Spiel seinem Ausgang gemaess werten, wuerde ich sagen.
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Re: Gedankenlesen - ein Vorteil?

Beitragvon John » 28. Aug 2017 20:04

so habe ich schließlich auch entschieden. Der AS gewann seinen NOH, da MH die he09 hatte - die er in der Aufregung auch noch vergaß, zu bedienen.
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Re: Gedankenlesen - ein Vorteil?

Beitragvon Eric » 29. Aug 2017 20:00

hmm, also für mich ist bzw. sollte Recht immer allgemeingültig sein, deshalb hat Justizia ja auch die Augen verbunden.
Bedeutet für mich, meine Entscheidung sollte nicht personenabhängig sein. Maximal vlt. noch situations- bzw. umgebungsabhängig. Aber ansonsten, immer und immer wieder : gleicher Sachverhalt = gleiche Entscheidung.

Ich meine ich berichtete schon mal, dass mir zugetragen wurde, dass das ISKG in einem Fall das reine Kopfschütteln eines Ausspielberechtigen Spielers beim NO als Spielaufgabe wertete.

Die Regeln sind ( auch kaum änderbar ) leider in vielen Punkten unscharf und bedürfen einer Auslegung.

Ich überlege gerade, da ja, angeblich auch höchstrichterlich entschieden, "das ist nicht unsere Stich" definitiv keine Hinderung am unberechtigten Ausspiel darstellt, man eben in solchen NO(H) Fällen gestattet, seine Absicht straffrei kundzutun, also zuzulassen, dass der Spieler z.B. sagt "ich gebe nicht auf". ( Damit wäre der geschilderte Fall eigentlich auch zweifelsfrei auf weiterspielen zu entscheiden ).
So ist das Skatspiel eben - manche Spiele verliert man, und manche gewinnen die anderen

Ein Weiser schätzt kein Spiel, wo nur der Zufall regieret.
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Re: Gedankenlesen - ein Vorteil?

Beitragvon John » 29. Aug 2017 23:25

Und wo liegt genau das Problem? Wenn auch das falsche Einziehen eines Stiches für sich genommen keinen Regelverstoss darstellt, dann ist es doch auch ok, den Stich demjenigen zu geben, dem er gehört. Oder die rechtmäßige Herausgabe verbal in die Wege zu leiten.

Was das Kopfschütteln anbetrifft, so ist mir nur ein anderslautendes Urteil des ISKG bekannt.

Die Regeln sind ( auch kaum änderbar ) leider in vielen Punkten unscharf und bedürfen einer Auslegung.
Was bedeutet das nun konkret, wenn man diesen Satz verkürzt? Die Regeln sind in vielen Punkten unscharf und bedürfen einer Auslegung. Wer soll, muss, kann sie auslegen?
Der Schiri vor Ort, das ISKG nach einem Fall auf Anfrage oder ein "vorausschauendes" Regelwerk?
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