von Skatkommentator » 16. Jan 2007 16:11
Kein Wunder, dass der Prüfer darauf keine verbindliche Antwort geben konnte. Immerhin existiert keine verbindliche Entscheidung des Deutschen bzw. Internationalen Skatgerichts zu Sachverhalten dieser Art. Dennoch würde ich als Schiedsrichter zu einer eindeutigen Entscheidung gelangen (zumal mir diese Problematik schon vor längerer Zeit aufgefallen ist). Und wenn ich der Einzige hier bin: Bei mir hätte der Alleinspieler sein Spiel verloren.
Die Normen, auf die es ankommt, sind 4.1.9 S. 2, 4.2.6 S. 1 ISkO.
4.1.9 ISkO: "Zwei oder mehr gleichzeitig sichtbar ausgespielte oder aufgedeckt herausgefallene Karten der Gegenspieler oder eine solche Karte eines Gegenspielers ohne Ausspielberechtigung beenden sofort das Spiel entsprechend den Bestimmungen 4.1.3 bis 4.1.6. Der Alleinspieler ist berechtigt, versehentlich herausgefallene Karten ohne spielrechtliche Folgen wieder aufzunehmen. Er darf auch vorgezogene und sichtbar gewordene Karten zurücknehmen (Vorteil für die Gegenspieler)."
4.2.6 ISkO: "Besitzt ein Spieler trotz ordnungsgemäßer Kartenverteilung im Laufe des Spiels zu wenig oder zu viel Karten, weil er fehlerhaft gedrückt, doppelt bzw. nicht zugegeben oder es in irgendeiner anderen Form verschuldet hat, ist das Spiel zugunsten der Partei mit der richtigen Anzahl von Karten entsprechend den Bestimmungen 4.1.3 bis 4.1.6 beendet. Eine höhere Gewinnstufe erfordert den Nachweis, dass sie bei regelgerechtem Spiel sicher erreicht worden wäre."
4.2.6 S. 1 ISkO differenziert nicht danach, auf welche Art und Weise doppelt zugegeben wird. Ob man nun also einfach aus Versehen zwei Karten zugibt oder ob es daran liegt, dass zwei Karten aneinanderkleben, spielt keine Rolle.
4.1.9 S. 2 ISkO erlaubt dem Alleinspieler jedoch, versehentlich herausgefallene Karten wieder aufzunehmen. Das ist sinnvoll, da der Alleinspieler auf diese Weise verhindern kann, sein Spiel nach 4.2.6 S. 1 ISkO zu verlieren. Zweifelhaft ist allerdings zunächst einmal, ob eine doppelt zugegebene Karte im Sinne von 4.2.6 S. 1 ISkO zugleich eine versehentlich herausgefallene Karte im Sinne von 4.1.9 S. 2 ISkO sein kann. Bejahen wir aber dies der Einfachheit halber. Trotzdem muss eine zeitliche Schranke existieren, die verhindert, dass der Alleinspieler sich jederzeit auf 4.1.9 S. 2 ISKO berufen kann, um einen Spielverlust nach 4.2.6 S. 1 ISkO abzuwenden.
Die einzige vernünftige zeitliche Schranke, die das Verhältnis von 4.1.9 S. 2 ISkO zu 4.2.6 S. 1 ISkO nachvollziehbar klärt, ist die Vollendung des Stiches, in dem der Alleinspieler doppelt zugegeben hat. Schließlich gilt es zu verhindern, dass der Alleinspieler noch viele Stiche nach dem doppelten Zugeben seine doppelt zugegebene Karte - gegebenenfalls sogar unter Rückgängigmachung der bis dahin gespielten Stiche - einfach so ohne Folgen wieder aufnehmen kann. Verhindert werden kann dies aber nur mit einer vernünftigen zeitlichen Beschränkung, was die Inanspruchnahme von 4.1.9 S. 2 ISkO angeht, und diese kann logischerweise nur die Vollendung des Stiches sein. Nur so macht das Nebeneinander von 4.1.9 S. 2 ISkO und 4.2.6 S. 1 ISkO überhaupt Sinn: Der Alleinspieler soll die Möglichkeit haben, im aktuellen Stich eine versehentlich herausgefallene Karte dank 4.1.9 S. 2 ISkO wieder aufnehmen zu können. Tut er dies nicht, verliert er sein Spiel gemäß 4.2.6 S. 1 ISkO.
Diese Vorgehensweise kann man als pingelig und zu hart empfinden, gerade wenn der Alleinspieler das Missgeschick sofort nach dem Ausspielen zum nächsten Stich bemerkt, und vor allem dann, wenn man immer wieder (im Skat kaum mögliche) gerechte Einzelfallentscheidungen verlangt. Aber ohne diese Vorgehensweise besteht eine nicht hinnehmbare Unsicherheit darüber, bis zu welchem Zeitpunkt der Alleinspieler eine versehentlich herausgefallene Karte wieder aufnehmen darf.
Eine abschließende Entscheidung bleibt natürlich dem Deutschen bzw. Internationalen Skatgericht überlassen. Wenn jemand von euch den Fall einschickt (ich darf das ja nicht), dann denkt bitte daran, auch die Konstellation mit zu berücksichtigen, in welcher das Versehen des Alleinspielers erst mehrere Stiche später bemerkt wird. Hier schlägt 4.2.6 S. 1 ISkO unstreitig und gnadenlos zu und es gibt keinen auf die Regeln stützbaren Grund, nicht genauso zu verfahren, wenn bereits einen Stich später die versehentlich herausgefallene Karte entdeckt wird.