Hand oder nicht Hand?

Fragen zur ISkO

Moderator: Taronga

Hand oder nicht Hand?

Beitragvon ThomAss » 16. Jan 2007 19:30

Mahlzeit!

Folgendes passierte neulich bei einem Preisskat:

MH passt sofort, HH reizt 23, VH passt auf 23. HH ist damit AS geworden.
HH ist sich unsicher, ob er in den Stock gucken soll oder nicht. Er überlegt, ob er einen einfachen Karo Hand spielt oder in den Skat schauen soll, um den Grand zu versuchen. HH zieht den Stock bis zu seinem Tischrand zu sich hin. Nach kurzer Überlegung entschließt er sich zum Karo Hand. Beide Gegenspieler VH und MH monieren, dass HH den Skat gesehen hat, da die Skatkarten ein Stück über den Tischrand hinausgezogen worden sind. Zur Info die Tische sind übrigens so tief, dass ein Einsehen des Skats nur durch offensichtliches Anheben möglich wäre. HH der AS streitet ab in den Skat geguckt zu haben und möchte seinen Karo Hand spielen.

Wie ist zu entscheiden?

Nicht nur das Schiedsgericht sondern auch das Deutsche Skatgericht musste schlussendlich weiterhelfen!

Skatsportliche Grüße



ThomAss

PS: Die Vierte im Bunde die Schreiberin hat übrigens nichts gesehen!
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Beitragvon Mysticus » 17. Jan 2007 06:36

Bin (noch) kein Schiedsrichter, versuche mich aber trotzdem mal. :D

Das sieht mir nach dem hier schon oft vielzitiertem "fadenscheinigem Recht" aus, da ja HH offensichtlich den Skat nicht gesehen haben kann. Weiterhin steht hier Aussage gegen Aussage, die Gegenpartei kann keine Überzahl erreichen, da die Geberin nichts gesehen hat und als neutral zu werten ist.

Wenn alle drei aus der Gegenpartei am Vierertisch gegen den AS aussagen, ist er überstimmt, aber hier ist es eine Patt-Situation.

BTW: Mit solchen Leuten hätte ich keine Lust mehr, zu spielen.

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Zustimmung

Beitragvon John » 17. Jan 2007 14:24

seh es genau so, nur etwas mehr Toleranz gegen andere Interpretationen bitte!

Es geht auch hier letztlich um eine Regelfrage und man sollte sich vor Unterstellungen hüten (Die Behauptung, dass der AS den Skat geseheh haben könnte, würde ich nicht als "Unterstellung" bezeichnen)

Schließlich ist ja der Begriff "fadenscheiniges Recht" aufgenommen wurden und damit ein "Regelverstoss", bei dessen Monierung man also nicht ins Persönliche gehen muss!

mfG

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Beitragvon ThomAss » 17. Jan 2007 18:52

Mysticus hat geschrieben:Weiterhin steht hier Aussage gegen Aussage, die Gegenpartei kann keine Überzahl erreichen, da die Geberin nichts gesehen hat und als neutral zu werten ist. Wenn alle drei aus der Gegenpartei am Vierertisch gegen den AS aussagen, ist er überstimmt, aber hier ist es eine Patt-Situation.
Mysticus


Ist das tatsächlich so, wenn alle drei Spieler der Gegenpartei gegen den AS "aussagen", ist das Spiel dann verloren bzw. müsste dann der AS Schneider spielen??? Mal ganz allgemein gefragt!


Um in meinem Fall mal ein Stück weiter zu gehen!

Der an den Tisch gerufene Schiedsrichter entschied, dass beide erstmal etwas behaupten und nichts beweisen (natürlich hat er sich am Tisch nicht so ausgedrückt) also kann er als Schiedsrichter nur auf Weiterspiel und Durchführung des Karo-Hands entscheiden. Es steht Aussage gegen Aussage (Gegenpartei gegen AS). Deshalb entschied der Schiedsrichter im Zweifel für den Angeklagten, also für den AS. Er erwähnte dabei, dass er bei dem Kenntnisstand nicht anders entscheiden kann und im Zweifel insofern es von der Gegenpartei gewünscht wird, das Schiedsgericht für weitere Entscheidungen herangezogen werden kann!

So weit, so gut!
Ist die erste Entscheidung des Schiedsrichter bereits die Richtige???


Gruß
ThomAss
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Beitragvon Skatkommentator » 18. Jan 2007 15:56

Ich halte die Entscheidung des Schiedsrichters für richtig und die Beanstandungen der Gegenpartei für lächerlich. Wenn die Skatkarten beim Heranziehen in ganz geringem Maße das Tischende überschreiten, ist der Alleinspieler doch niemals in der Lage, die Karten erkennen zu können (es sei denn vielleicht, er hat am Boden einen Spiegel angebracht oder senkt seinen Kopf schräg nach unten), zumal bei dem im vorliegenden Fall vorhandenen Tisch. Diesen Fakt wird wohl kein Schiedsrichter ignorieren können. Selbst wenn doch, ein Mitglied der Gegenpartei hat nichts gesehen, so dass diese schöne blödsinnige "3-gegen-1-Beweislastregel" zulasten des Alleinspielers nicht eingreift. Und wenn sie (in einem anderen Fall) doch einmal eingreifen müsste, so bleibt es dabei, dass der Alleinspieler den Skat nicht einsehen konnte. Außerdem machen es viele Spieler so, dass sie den Skat erst zu sich heranziehen und währenddessen noch überlegen (oder vorgeben zu überlegen), bevor sie ein Handspiel ansagen. Von solchen Praxiserwägungen lässt sich das Deutsche bzw. Internationale Skatgericht ja gerne leiten.

Aber wie ich das Deutsche bzw. Internationale Skatgericht kenne, wird es ausführen: "Dadurch, dass die Skatkarten über den Tisch hinausragten, hatte der Alleinspieler die - zumindest theoretische - Möglichkeit, den Skat einzusehen. Um Missbräuchen vorzubeugen, muss diese Situation als Skateinsicht behandelt werden. Der Alleinspieler muss folglich ein Karospiel ansagen, da die Spielansage 'Karo-Hand' nach ISkO 3.4.4 wegen der Skateinsicht ungültig ist. Das Spiel wird anschließend seinem Ausgang entsprechend gewertet."

Wie letztlich entschieden wurde, ist mir eigentlich egal (es interessiert mich zwar sehr, aber ich kann mit beiden Entscheidungsmöglichkeiten leben). Die Hauptsache ist schließlich, dass man sich als Spieler in Zukunft darauf einstellen kann. :wink:
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Beitragvon ThomAss » 18. Jan 2007 19:36

Danke wie immer für deine ausführliche Analyse Marc!

Als das Schiedsgericht nun zusammen kam, wurde der Vorgang nochmal ja teils unsachlich erläutert. MH argumentierte nachträglich, dass er Pik Lusche gesehen hat, welche nachher natürlich auch im Skat war und das es jetzt wohl offensichtlich für alle ist, dass auch HH den Skat gesehen haben muss... Dies wurde als der Schiedsrichter an den Tisch gekommen ist, aber nicht erwähnt...!

Ich persönlich unterstelle MH mal, dass er einfach nur gut aufgepasst während des Spiels und mit Nachdruck fadenscheiniges Recht sucht.

Die Entscheidung des Schiedsgericht (2 Schiedsrichter pro Karo-Hand, 1 Schiedsrichter pro einfach Karo, also 2:1 für Durchführung des Karo-Hand) lautete, dass das Spiel gemäß dem Spielausgang des Karo-Hands entsprechend zu werten ist.

Daraufhin schaltete der betroffene Spieler in VH mit seinem Vereinskollegen, der pro einfach Karo Schiedsrichter..., das Deutsche Skatgericht ein. Dies urteilte mit der Begründung, dass MH eine Karte des Skats kannte und das 2 Spieler der Gegenpartei augesagt haben, dass der Skat vom AS angesehen wurde, auf einfachen Karo der nach dem Reizwert zur Folge Schneider zu spielen ist...

Zu Gunsten des deutschen Skatgerichts muss ich sagen: Das Schreiben wurde einseitig aufgesetzt, das heißt die Gründe der anderen beiden Schiedsrichter wurden nicht genannt! Außerdem wurde das Wissen von MH um Pik Lusche im Skat, bereits bei der ersten Schiedsrichterentscheidung angeführt! Habe das Antwortschreiben des deutschen Skatgerichts übrigens selbst gelesen!

Wie ist der Fall nun zu bewerten? Wer hat in dem ganzen Durcheinander nun richtig entschieden? Was mich verwundert ist, dass das Skatgericht auch die Bergündung anführt, dass die Stimmenanzahl 2 von 3 Spieler der Gegenpartei gegen 1 Stimme des AS, mit den Ausschlag für die Entscheidung gegeben hat! Ist das wirklich so?


skatsportliche Grüße

Gruß
Thomas
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Beitragvon Skatkommentator » 20. Jan 2007 15:47

Ich bin nach wie vor der Ansicht, dass der erste Schiedsrichter gleich richtig entschieden hat, da die Gegenpartei nicht nachweisen kann, dass der Alleinspieler den Skat einsehen konnte. Unglücklicherweise hat das Deutsche bzw. Internationale Skatgericht wohl einen entsprechend verfremdeten bzw. ergänzten Sachverhalt bekommen, nach dem es sich richten musste.

Mit der konkreten Auslegung von 5.2.8 ISkO ("Im Zweifelsfall muss die Gegenpartei dem Alleinspieler den Spielverlust und der Alleinspieler das Erreichen von Gewinnstufen nachweisen.") ist das jedenfalls so eine Sache. In der Regel sagt man: Wenn alle Mitspieler der Gegenpartei den Regelverstoß bezeugen bzw. sein Vorhandensein überzeugend darlegen können, dann ist der Nachweis der Gegenpartei im Sinne von 5.2.8 ISkO für gewöhnlich erbracht ("3-gegen-1-Beweislastregel"). Das heißt aber nicht zwingend, dass der Gegenpartei der Nachweis mit zwei Mitspielern nicht gelingen kann. Im vorliegenden Fall war es vermutlich so, dass das Deutsche bzw. Internationale Skatgericht den Sachvortrag der beiden Gegenspieler für überzeugend genug hielt (wegen der Sache mit der Pik-Lusche) und deswegen den Nachweis gemäß 5.2.8 ISkO als erbracht ansah. Dass das Deutsche bzw. Internationale Skatgericht der Meinung ist, es würde generell eine "2-gegen-1-Beweislastregel" zulasten des Alleinspielers eingreifen, kann ich mir nicht vorstellen, weil das völliger Unsinn wäre (der Alleinspieler würde dann im Zweifel sein Spiel immer verlieren).

Die für mich besonders interessante Frage besteht darin, ob vor dem Schiedsgericht noch neue Tatsachen eingebracht werden dürfen. Entscheidend hierfür ist, ob das Schiedsgericht eine Berufungsinstanz ist (neuer Sachvortrag erlaubt + neue rechtliche Würdigung) oder eine Revisionsinstanz (dann nur neue rechtliche Würdigung) wie das Deutsche bzw. Internationale Skatgericht. Die in 7.3.3 S. 1 SkWO genannte Streitschlichtungsstelle scheint z. B. eine Revisionsinstanz zu sein, da sie laut 7.3.3 S. 2 SkWO nur in regeltechnischen Fragen entscheidet. Bei der Streitschlichtungsstelle können laut 7.3.3 S. 1 SkWO Einsprüche gegen die Entscheidung der Spielleitung bzw. des Schiedsgerichts erhoben werden. In 7.3.2 SkWO heißt es, dass Zweifels- und Streitfälle von der Spielleitung oder den von ihr benannten Schiedsrichtern entschieden werden. Spielleitung und Schiedsrichter können somit synonym verwendet werden. Das heißt, dass in 7.3.3 S. 1 SkWO letztlich Schiedsrichter und Schiedsgericht parallel erwähnt werden als Vorinstanz zur (ersten) Revisionsinstanz namens Streitschlichtungsstelle.

Wenn Schiedsrichter und Schiedsgericht in einem Atemzug genannt werden, spricht dies dafür, dass das Schiedsgericht eine Berufungsinstanz ist, da schließlich der Schiedsrichter (auch) für die Tatsachenermittlung zuständig ist. Diese Herleitung vermag nicht restlos zu überzeugen, ist mangels anderer Anhaltspunkte aber zumindest ein Anfang (wer entsprechende Erfahrungen hat, kann hier ja mal schildern, wie das mit einem neuen Tatsachenvortrag bei der Schiedsgerichtsverhandlung gehandhabt wird). Überzeugender fände ich es trotzdem, die Tatsachenermittlung allein dem Schiedsrichter zu überlassen, sonst werden die Sachverhalte - wie in diesem Fall - später nur verfremdet. Andererseits ist es problematisch, dem Schiedsgericht die (neue) Tatsachenermittlung zu verwehren, wenn der Schiedsrichter in diesem Bereich geschlampt oder bestimmte Fakten sogar ignoriert hat.

Nichtsdestotrotz hätte das Schiedsgericht doch fragen müssen, warum die Gegenspieler nicht schon dem Schiedsrichter von der angeblich gesehenen Skatkarte erzählt haben. Ebenso muss doch auffallen, dass die Gegenspieler die Skatkarte gar nicht gesehen haben können, wenn sie auf die beschriebene Weise über den Tisch hinausragte. Mehr noch: Wenn die Gegenspieler aufgrund ihrer versetzten Position zum Skat die Chance hatten, den Skat einzusehen, dann spricht das doch eher dagegen, dass der Alleinspieler genauso die Gelegenheit dazu hatte. Das Schiedsgericht hätte demnach zu der Entscheidung gelangen müssen, dass die Gegenpartei den Spielverlust des Alleinspielers nicht nach 5.2.8 ISkO nachweisen kann.

Wie auch immer: In einem solchen Fall sind viele Eitelkeiten und Zweckerwägungen im Spiel, so dass man in der Praxis am Ende in den seltensten Fällen ein wirklich zufrieden stellendes Resultat erzielt. Für mich sind solche Gegenspieler jedenfalls ein weiterer Grund, mich von Preisskats und Turnieren weitgehend fernzuhalten.
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