Heute hatte ich mal wieder das Vergnügen mit zwei Skatspielern, die unterschiedlicher nicht sein könnten.
Der eine ist der Altmeister. Er gehörte früher sicher zu den Top Fünf der Welt und hat mich so manche Liste das Fürchten gelehrt. Und das nicht nur in spielerischer Hinsicht. Seit Jahr und Tag ist er für seinen Sarkasmus berüchtigt, mit dem er sich so manches Extraplus - das er wegen seiner spielerischen Klasse eigentlich gar nicht nötig hatte - verschaffte. Ein (lustiges) Beispiel gefällig? Zitat: "Stell Dir mal vor, Dir wäre vorm dritten Strich die Karo D aus Versehen aus der Hand gefallen. Dann hättste sie nach den Regeln ja spielen müssen. Du, dann hätten wir das Spiel gewonnen. Das wär ein Ding gewesen, nicht wahr?" So lustig waren die Sprüche leider nicht oft, im Gegenteil. Noch heute ist er für viele der Inbegriff eines unangenehmen Skatspielers und er hat so manchem die Freude an unserem Spiel restlos vergällt.
Mittlerweile aber hinterlässt das Alter bei ihm seine Spuren. Er ist immer noch gefährlich, aber es schleichen sich mehr und mehr Ungenauigkeiten ein. Vor allem aber steht ihm seit einigen Jahren sein Starrsinn im Wege. Er weigert sich standhaft, Neues anzunehmen und spielt immer wieder seinen altbekannten Stiefel herunter. Das macht ihn natürlich berechenbar.
Der andere ist ein junges und menschlich sehr angenehmes Nachwuchstalent. Als er das erste Mal bei uns mitspielte, hatten wir alle das Gefühl, dass aus ihm mal ein sehr ordentlicher Spieler werden würde. Das Gefühl haben wir auch immer noch, aber im Moment hat er den typischen Downswing der Lernenden.
Was ist damit gemeint? Ganz einfach: Wenn Skatspieler halbwegs Talent mitbringen, lernen sie zu Beginn sehr schnell. Die Fortschritte sind fast schon von Woche zu Woche zu sehen. Haben sie dazu noch den Ehrgeiz, nach oben zu kommen, begeben sie sich irgendwann in Kontakt mit den richtig guten Spielern. Bei diesen merken sie jedoch, was ihnen noch alles fehlt. Und das versuchen sie dann begierig in möglichst kurzer Zeit aufzusaugen und zu verinnerlichen. Das aber überfordert sie. Umso schneller sie mit immer neuen Motiven konfrontiert werden, umso schwieriger wird es für das Gehirn, alle diese unterschiedlichen Dinge richtig einzuordnen.
Und nun kommt der Kontereffekt. Das Mehr an Wissen, das sich aber noch nicht verfestigt hat, lässt sie in vielen Situationen Ideen entwickeln, die an sich gut sind, aber nicht in diesem Moment bei diesem Spiel. Dazu lässt sie der Ehrgeiz sich über ihre Fehler ärgern, was sie noch zusätzlich ablenkt und verunsichert - und heraus kommt ein einziges spielerisches Tohuwabohu.
Das ist aber eine ganz normale Phase, die jeder durchmacht, der genügend Talent hat, um die Feinheiten des Skatsports zu erkennen. Das grundsätzliche Verstehen ist eins, die annähernd perfekte Umsetzung in der Praxis etwas ganz anderes und das braucht einfach Zeit.
Mit diesen beiden sehr verschiedenen Skatspielern also sah ich mich am Vereinsabend bei folgendem Spiel konfrontiert. Ich saß in der beliebten MH mit folgendem Blatt:
Bei 22 ging der Altmeister in VH passen und HH passte auch. Der Skat brachte jedoch nicht die erhoffte Verstärkung. Im Gegenteil, mit sah meine an sich ordentliche Karte auf einmal ganz schön mies aus. Und wenn ihr mal einen Blick auf die Kartenverteilung werft - die ich natürlich nicht kannte - wisst ihr, das mein schlechtes Gefühl mich nicht trügen sollte.
VH
HH
Aber ich hatte ja insbesondere über die Spielweise des Altmeisters gewisse Kenntnisse. Dieser pflegt nämlich immer den Satz "Ich muss meinem Partner ja helfen" und diese "Hilfe" sieht zumeist so aus, dass er diesem den Schuss zeigt mittels eines Ausspiels unter Ass!!! Dieses gedachte ich mir zunutze zu machen und wählte mit eine etwas ungewöhnliche Drückvariante. Es entwickelte sich nun folgender Spielverlauf:
-17 Mein Frohlocken über das richtig antizipierte Ausspiel war also nur von kurzer Dauer
+19
-20 Was nun kam, war ebenso klar wie unvermeidlich. Ein schwungvolles Pik Ass
!!! -33 Der Überstich kam jedoch nach langem überlegen, was mir ein wenig Hoffnung machte
+29 Der Altmeister war sichtlich not amused
+32 Jetzt war es am Altmeister, lange zu überlegen, bis er abwarf
Ein Blick auf meine Gegner verriet mir derweil, dass sie sich beide bei dem Spielverlauf recht unwohl fühlten. Ich hoffte also, dass die beiderseitige Verwirrung noch eine Weile anhielt, denn das Spiel stand ja immer noch auf mausetot.
-39
So weit so gut, jetzt musste der Altmeister nur noch den mittlerweile von mir fest eingeplanten Pik K bringen. Dem aber kam HH zuvor, indem er unberechtigter Weise eine Karo Lusche ausspielte.
Anschließend hatte nur einer am Tisch gute Laune. Der Geber war immerhin noch ein wenig amüsiert ob des unterhaltsamen Spielablaufs, aber ob dieser für ihn eine hinreichende Kompensation für die entgangenen 30 Punkte darstellte, hat er uns nicht verraten. Unser Nachwuchstalent begründete noch seinen Überstich mit dem Chef damit, dass er nicht noch mal von hinten antreten wollte. Er hatte also gut aufgepasst bei der Reizung. Allein, geholfen hat es wenig, da ihm im Verlauf des Spiels ein paar Dinge spanisch vorkamen und der Altmeister seine chinesische Spielweise auch nicht recht zu deuten wusste.
Insofern hatte meine zweifelhafte Kreuz D keine negativen Auswirkungen. Und wer weiß, vielleicht hat sie sogar erst den Sieg gebracht. Denn bei stringentem Spiel ohne ständige Überlegungspausen und gegenseitige Blicke hätte der Altmeister womöglich doch bei 39 Augen das Karo Ass fallengelassen. So aber war die allgemeine Verunsicherung so greifbar, dass ich eine Wette eingehen würde, dass ich das Spiel auch ohne falsches Aufspiel gewonnen hätte.
Beste Grüße vom Monsieur