Wann lohnt es sich"rein rechnerisch" zu reizen?

Mathematische Zusammenhänge des Skatspieles

Wann lohnt es sich"rein rechnerisch" zu reizen?

Beitragvon chrisdanny » 20. Jun 2010 14:19

hi,

was ich schon immer mal wissen wollte...

rein mathematisch muss es doch eigentlich eine formel geben, die etwas darüber aussagt, ab welchem Gewinngrad es richtig ist, ein Spiel zu reizen, wenn es ausschließlich um die Erzielung eines langfristig höchst möglichen Punkteschnitt ginge....

Dass 50% nicht genügen, wissen wir ja alle, denn schließlich wird der Spielverlust nicht nur mit 50 Miesen, sondern zusätzlich auch mit dem doppelten Spielwert (bei Gewinn gibts ja nur den einfachen) "bestraft"...

Ist es überhaupt möglich eine Formel zu entwickeln? Hierbei muss m. E. ja auch berücksichtigt werden, dass der Spielwert unterschiedlich hoch sein kann...

Vielleicht gibts hier ja ein paar pfiffige Mathematiker, die mir darüber etwas sagen können...
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Beitragvon Skatfuchs » 20. Jun 2010 15:49

Hi chrisdanny,

für die Ermittlung ist es zum einen von Interesse, ob du nach dem erweiterten Seegersystem spielst und am Dreier- oder Vierertisch.

Eine solche Aufstellung für den Vierertisch und dem erweiterten Seegersystem findest du hier: http://www.skatfuchs.eu/seite17.htm
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Beitragvon marvin » 20. Jun 2010 18:52

Ganz einfach ist das auch für Mathematiker nicht. Der Grund ist, dass du ja vor dem Reizen nicht weißt, welches Spiel zustande kommen wird. Wenn du mehrere Möglichkeiten hast, welchen Spielwert willst du der Formel zu Grunde legen? Oder denke an die Situation, dass du "ohne 4" reizt. Wenn du für 23 ans Spiel kommst und grottenschlecht findest, kannst du immer noch einen billigen Null abschenken. Wenn du aber passabel findest, ziehst du dein Farbspiel oder gar den Grand durch und kannst im Gewinnfall ein Vielfaches punkten...

Aber, um es einfach zu halten, nehmen wir mal folgende Situation an: Du weißt vor dem Reizen genau, welches Spiel du machen willst und wie viele Punkte es bringt (Schneider und so einen Kram mal außen vor gelassen). Beim Geldskat gilt: Wenn du verlierst, kostet dich das exakt doppelt so viel wie wenn du gewinnst. Also brauchst du eine Gewinn-Wahrscheinlichkeit (WSK) von exakt 66,7%, um mit +/- 0 herauszugehen.

Beim Preisskat kommen die +/- 50 Punkte für ein gewonnenes / verlorenes Spiel hinzu. Damit kostet dich ein verlorenes Spiel etwas weniger als das doppelte eines gewonnenen Spiels, womit der Break-Even-Punkt auf weniger als 66,7% sinkt. Die exakte Formel sieht so aus (Spielwert s):
Gewonnen: s+50 Punkte
Verloren: 2s+50 Minuspunkte
p = Gewinn-WSK
Erwartungswert ist p * (s+50) - (1-p) * (2s+50)
Nach p umgestellt: p = (2s+50) / (3s+100)
Für s=20 gibt das z.B. 90/160 = 56,25%, je höher s wird, um so näher kommen wir wieder den 66,7%.

Das setzt aber voraus, dass die Gegner am Tisch keine direkten Konkurrenten sind, denn die bekommen bei einem Verlust auch noch 30/40 Punkte dazu. Dann ist die Formel

p = (2s+80) / (3s+130)
bzw.
p = (2s+90) / (3s+140)

Für s=20 ergibt sich dann p = 63,2% / 65,0% und mit steigendem s nähern wir uns der 66,7% an.

Lange Rede kurzer Sinn - zumal man p ja ohnehin nicht genau vorhersagen kann: Gewinn-WSK 2/3 oder höher ==> reingehen, sonst wegbleiben.
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Beitragvon chrisdanny » 20. Jun 2010 19:01

hi,

hab mal auf deiner Seite geschaut.

u. a. steht dort:

"Wichtig ist zuerst einmal die Aussage, wann man ein Spiel überhaupt reizen soll?

M. Quambusch schreibt dazu, dass ein Spiel mindestens eine Gewinnwahrscheinlichkeit von 70% haben sollte."

So richtig anfreunden kann ich mich mit dieser Aussage aber nicht, weil Skat eben vor allem auch ein Turnierspiel ist, in dem es deshalb primär darum geht, innerhalb einer bestimmten - relativ geringen - Anzahl an Spielen eine - meist - überdurchschnittlich hohe Punktzahl zu erzielen. Ob Letzter oder knapp unter einer überdurchschnittlich hohen Leistung, spielt ja letztendlich keinerlei Rolle.

Dies ist doch m. E. wesentlich bei der Entscheidung darüber, "ob man ein Spiel reizen soll" oder nicht...

Anders ist es natürlich, wenn es ausschließlich darum geht, viele Punkte "auf lange Sicht gesehen" zu erzielen...

Dann - aber eben nur dann - macht es ja überhaupt erst Sinn, die Reizentscheidung nur nach der Gewinnwahrscheinlichkeit zu treffen...

Und genau hier muss es doch möglich sein, in Abhängigkeit des Spielwerts einen exakten Gewinngrad auszurechnen, damit man dann weiß, ob es besser ist zu reizen oder zu passen....(mal abgesehen davon, dass eine derartige genaue Prognose häufig nicht möglich ist bzw. auch stark vom Zufall abhängt)

Wieso 70%??? Wie kommt man darauf? Ist das der Mittelwert?

Es muss doch m. E. auch ein Bezug zu dem tatsächlichen Spielwert bestehten...

Beispiel:

Karo einfach gewinne ich z.b. zu 68 %....Tritt das ein, erhalte ich 68 Pluspunkte....tritt es nicht ein, erhalte ich 86 Minuspunkte....passe ich, erhalte ich 0 Punkte...also was tun?

Grand ohne Vieren gewinne ich zu 68 %....Tritt das ein, erhalte ich 170 Pluspunkte...tritt es nicht ein, erhalte ich 290 Minuspunkte...passe ich, erhalte ich 0 Punkte...also was tun?

Der Gewinngrad...bzw. die "grenze" kann doch deshalb nicht immer gleich sein??? Das muss doch mathematisch zu lösen sein....

P.S. Marvin...beiträge haben sich überschnitten..deshalb hab ich keine stellung zu deinem beitrag genommen...
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Beitragvon Chevalier » 20. Jun 2010 19:37

Ich hätte da rein theoretisch noch gerne die gedachten Variablen F () für "Force" oder auch Spielstärke des AS und der GS drin. Lässt sich natürlich praktisch kaum einbauen, weil ihr Wert entweder gar nicht bekannt ist oder nicht objektiv eingeschätzt werden kann.

Ich meine damit: Je besser Du spielen kannst, und je schlechter Deine Mitspieler sind, umso eher gewinnst Du kritische Spiele. Ein guter Spieler macht gegen schwache Spieler aus einer scheinbaren 60 % Gurke vielleicht eine 90 % Chance. Was heißt das? Es bedeutet, dass das Spiel für diesen Spieler in in dieser Umgebung eher 90% hat als 60%.

Marvin hat bereits geschrieben, dass man p nicht genau bestimmen kann. Sie ist eben "variabel". Hinzu kommt, dass die Gewinnwahrscheinlichkeit viel zu oft direkt aus der Verteilungswahrscheinlichkeit abgeleitet wird. Das ist keine gute Idee. Nur in seltenen Fällen stimmen beide überein.

Ein sehr guter Spieler hat mir gesagt: Je besser Du im Verhältnis zu Deinen aktuellen Mitspielern spielen kannst, umso eher und umso höher höher darfst Du reizen. Wie kann man das feststellen? Ganz einfach: Führe eine Statistik über Deine Listen. Beispiel: Wenn Du in Deinem Club einen Schnitt von ca. 1000 Punkten machst und dabei zwischen 9:0 und 12:3 Spielanteile hast, dann reizt Du in dieser Umgebung (!) mit einem gesunden Risiko. Wenn Du im Schnitt 3 oder mehr Spiele verlierst und weniger als 900 Punkte hast, dann musst Du etwas defensiver reizen, oder besser spielen lernen, oder schwächere Gegner suchen. Wenn Du kaum ein Spiel verlierst, aber ebenfalls meistens unter 900 Punkten bist, dann solltest Du unbedingt etwas offensiver reizen. Das hat mit einer fiktiven objektiven (??) Gewinnwahrscheinlichkeit einzelner Spiele nichts zu tun.
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Beitragvon Skatfuchs » 20. Jun 2010 22:25

chrisdanny hat geschrieben:Der Gewinngrad...bzw. die "grenze" kann doch deshalb nicht immer gleich sein??? Das muss doch mathematisch zu lösen sein....


hi chrisdanny,

die sogenannte "Gewinnschwelle" ist auch nicht konstant.
Sie ergibt sich zum einen aus dem Wert des reizbaren Spieles (vgl. Kurve unten).
Auf der anderen Seite natürlich auch aus der "Qualität" der GS, wie es schon marvin und chevi erläuterten. Bloss wie soll man das bewerten?
Dazu kommen dann natürlich noch strategische und auch taktische Gesichtspunkte.

Interessant ist auch, dass sich die "Reizschwelle" mit zunehmender Reizung und Gegenreizung verändert, wie dir sicherlich auch bekannt ist.
So wird im Mittel bei einer Gewinnwahrscheinlichkeit von ca. 40% schon mal 18 gesagt; bei Gegenreizung aber schnell gepasst, wenn man kein sicheres Spiel auf der Hand hält. Bei gereizten 24 erhöht sich die Reizschwelle nochmals, wie uns praktisch auch bekannt ist.
Ich denke auch wie marvin: eine gute 2/3-Chance sollte man beim Reizen schon haben!
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Beitragvon chrisdanny » 21. Jun 2010 13:23

Puhhhh, ganz schön haarig.....

Wäre doch mal was als Abituraufgabe.... :lol:
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Beitragvon Chevalier » 21. Jun 2010 14:13

Wenn man mehr Unbekannte als Gleichungen hat, ist die Matrix nicht lösbar. Oder wie war das?

Mit den übrig gebliebenen Unbekannten kann man dann zwar noch etwas jonglieren, aber nicht mehr operieren.
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