von Skatkommentator » 20. Jan 2007 15:47
Ich bin nach wie vor der Ansicht, dass der erste Schiedsrichter gleich richtig entschieden hat, da die Gegenpartei nicht nachweisen kann, dass der Alleinspieler den Skat einsehen konnte. Unglücklicherweise hat das Deutsche bzw. Internationale Skatgericht wohl einen entsprechend verfremdeten bzw. ergänzten Sachverhalt bekommen, nach dem es sich richten musste.
Mit der konkreten Auslegung von 5.2.8 ISkO ("Im Zweifelsfall muss die Gegenpartei dem Alleinspieler den Spielverlust und der Alleinspieler das Erreichen von Gewinnstufen nachweisen.") ist das jedenfalls so eine Sache. In der Regel sagt man: Wenn alle Mitspieler der Gegenpartei den Regelverstoß bezeugen bzw. sein Vorhandensein überzeugend darlegen können, dann ist der Nachweis der Gegenpartei im Sinne von 5.2.8 ISkO für gewöhnlich erbracht ("3-gegen-1-Beweislastregel"). Das heißt aber nicht zwingend, dass der Gegenpartei der Nachweis mit zwei Mitspielern nicht gelingen kann. Im vorliegenden Fall war es vermutlich so, dass das Deutsche bzw. Internationale Skatgericht den Sachvortrag der beiden Gegenspieler für überzeugend genug hielt (wegen der Sache mit der Pik-Lusche) und deswegen den Nachweis gemäß 5.2.8 ISkO als erbracht ansah. Dass das Deutsche bzw. Internationale Skatgericht der Meinung ist, es würde generell eine "2-gegen-1-Beweislastregel" zulasten des Alleinspielers eingreifen, kann ich mir nicht vorstellen, weil das völliger Unsinn wäre (der Alleinspieler würde dann im Zweifel sein Spiel immer verlieren).
Die für mich besonders interessante Frage besteht darin, ob vor dem Schiedsgericht noch neue Tatsachen eingebracht werden dürfen. Entscheidend hierfür ist, ob das Schiedsgericht eine Berufungsinstanz ist (neuer Sachvortrag erlaubt + neue rechtliche Würdigung) oder eine Revisionsinstanz (dann nur neue rechtliche Würdigung) wie das Deutsche bzw. Internationale Skatgericht. Die in 7.3.3 S. 1 SkWO genannte Streitschlichtungsstelle scheint z. B. eine Revisionsinstanz zu sein, da sie laut 7.3.3 S. 2 SkWO nur in regeltechnischen Fragen entscheidet. Bei der Streitschlichtungsstelle können laut 7.3.3 S. 1 SkWO Einsprüche gegen die Entscheidung der Spielleitung bzw. des Schiedsgerichts erhoben werden. In 7.3.2 SkWO heißt es, dass Zweifels- und Streitfälle von der Spielleitung oder den von ihr benannten Schiedsrichtern entschieden werden. Spielleitung und Schiedsrichter können somit synonym verwendet werden. Das heißt, dass in 7.3.3 S. 1 SkWO letztlich Schiedsrichter und Schiedsgericht parallel erwähnt werden als Vorinstanz zur (ersten) Revisionsinstanz namens Streitschlichtungsstelle.
Wenn Schiedsrichter und Schiedsgericht in einem Atemzug genannt werden, spricht dies dafür, dass das Schiedsgericht eine Berufungsinstanz ist, da schließlich der Schiedsrichter (auch) für die Tatsachenermittlung zuständig ist. Diese Herleitung vermag nicht restlos zu überzeugen, ist mangels anderer Anhaltspunkte aber zumindest ein Anfang (wer entsprechende Erfahrungen hat, kann hier ja mal schildern, wie das mit einem neuen Tatsachenvortrag bei der Schiedsgerichtsverhandlung gehandhabt wird). Überzeugender fände ich es trotzdem, die Tatsachenermittlung allein dem Schiedsrichter zu überlassen, sonst werden die Sachverhalte - wie in diesem Fall - später nur verfremdet. Andererseits ist es problematisch, dem Schiedsgericht die (neue) Tatsachenermittlung zu verwehren, wenn der Schiedsrichter in diesem Bereich geschlampt oder bestimmte Fakten sogar ignoriert hat.
Nichtsdestotrotz hätte das Schiedsgericht doch fragen müssen, warum die Gegenspieler nicht schon dem Schiedsrichter von der angeblich gesehenen Skatkarte erzählt haben. Ebenso muss doch auffallen, dass die Gegenspieler die Skatkarte gar nicht gesehen haben können, wenn sie auf die beschriebene Weise über den Tisch hinausragte. Mehr noch: Wenn die Gegenspieler aufgrund ihrer versetzten Position zum Skat die Chance hatten, den Skat einzusehen, dann spricht das doch eher dagegen, dass der Alleinspieler genauso die Gelegenheit dazu hatte. Das Schiedsgericht hätte demnach zu der Entscheidung gelangen müssen, dass die Gegenpartei den Spielverlust des Alleinspielers nicht nach 5.2.8 ISkO nachweisen kann.
Wie auch immer: In einem solchen Fall sind viele Eitelkeiten und Zweckerwägungen im Spiel, so dass man in der Praxis am Ende in den seltensten Fällen ein wirklich zufrieden stellendes Resultat erzielt. Für mich sind solche Gegenspieler jedenfalls ein weiterer Grund, mich von Preisskats und Turnieren weitgehend fernzuhalten.